[News] CfP (Prokla) "Vergessenes Land? Emanzipatorische Perspektiven auf rurale Entwicklung"

Michael Miessner michael.miessner at tu-dresden.de
Tue Dec 15 13:11:38 CET 2020


Liebe alle,

 

ich möchte auf den Call for Participation "Vergessenes Land?
Emanzipatorische Perspektiven auf rurale Entwicklung" für das Prokla-Heft
3(2021) aufmerksam machen, an dem Bernd Belina, Andreas Kallert, Matthias
Naumann und ich als Gast-Herausgeber mitwirken. Wir würden uns sehr über
Beitragsvorschläge aus diesem Kreis freuen.

https://www.prokla.de/index.php/PROKLA/callforpapers

 

Beste Grüße

Michael

 

Vergessenes Land? Emanzipatorische Perspektiven auf rurale Entwicklung

(Heft 3, Juni 2021)

Gastredaktion: Bernd Belina (Frankfurt/M.), Andreas Kallert (Berlin),
Michael Mießner (Dresden) und Matthias Naumann (Klagenfurt)

Ländliche Räume sind seit einiger Zeit wieder »in«: In Zeiten der
Covid-19-Pandemie gelten sie als vermeintlich sicherere Orte, in denen das
Risiko einer Infektion geringer ist; sie werden als Rückgrat einer
nachhaltigen Energieversorgung betrachtet; Künstler*innen und
Kulturschaffende haben das Land als günstigen Arbeitsort entdeckt; Coworking
Spaces für urbane Akademiker*innen erleben einen Hype im ländlichen Umland
von Großstädten und Gentrifizierung wird als neue
Regionalentwicklungsstrategie für bislang schrumpfende ländliche Siedlungen
angepriesen. Andererseits haben ländliche Räume, insbesondere in
peripherisierten Regionen abseits der Metropolen, in den vergangenen Jahren
vermehrt Aufmerksamkeit als Orte des »Abgehängtseins« von wirtschaftlicher
Entwicklung, politischer Teilhabe und infrastruktureller Versorgung
erfahren. Hier konnten rechtspopulistische Parteien überdurchschnittlich
viele Stimmen gewinnen. Aktuelle Programme der Regionalpolitik – wie »Unser
Plan für Deutschland« der Bundesregierung – versuchen, diese Probleme
oftmals unter dem Stichwort »Gleichwertige Lebensverhältnisse« zu
adressieren. Demgegenüber gibt es bislang nur wenige Analysen und Ansätze
aus der kritischen Wissenschaft, die sich mit Fragen ländlicher Entwicklung
auseinandersetzen – auch in der PROKLA sind dazu bisher nur wenige Beiträge
erschienen. Dabei gibt es mit den Gemeindestudien, an denen das Institut für
Sozialforschung beteiligt war, dem Kursbuch 39 (1975) zu »Provinz« oder dem
Lesebuch von Brockmann von 1977 eine Tradition kritischer Wissenschaft,
ebenso wie es mit der »Provinzarbeit« eine solche politische Praxis gibt.
Kritische Perspektiven stellen zudem heraus, dass mit der Krise des
Fordismus Ende der 1970er Jahre die deutsche Raumordnungspolitik sich
stärker auf die wettbewerbsfähigen Metropolen konzentrierte, was zulasten
vieler ländlicher Räume ging. Hier möchte das geplante Themenheft ansetzen
und emanzipatorische Beiträge zu Bestandsaufnahmen, Einschätzungen und
Perspektiven für ländliche Räume veröffentlichen.

Unser Ausgangspunkt ist dabei nicht »der ländliche Raum« bzw. »das Ländliche
an sich«. Unumstritten ist, dass die Abgrenzung dessen, was »das Land« ist,
immer wieder gesellschaftlich neu verhandelt wird. Stadt und Land stehen in
einem dialektischen Verhältnis zueinander und sind immer weniger scharf
voneinander abzugrenzen. Dennoch erleben ländliche Räume seit geraumer Zeit
spezifische Transformationen. Hierzu zählen demographische Veränderungen
selektiver Zu- und Abwanderung, ein grundlegender Wandel von Agrarmärkten
und der Relevanzverlust des primären Sektors auf dem Land, der Wegfall und
die Neuentstehung ländlicher Infrastrukturen oder auch das Wegbrechen
bislang prägender Netzwerke und Sozialstrukturen. Diese Transformationen
sind nicht konfliktfrei: Hierfür stehen Stichworte wie das Land Grabbing
internationaler Investor*innen, Proteste gegen neue Energieinfrastrukturen
oder Schließungen von Schulen, zwischen »Alteingessenen« und »Zugezogenen«
gespaltene Dörfer oder die mediale Stigmatisierung ganzer Regionen als
»verödet«. In diesen Konflikten ist eine gesellschaftliche Linke wie auch
die kritische Wissenschaft bislang kaum präsent.

Doch auch emanzipatorische Projekte in ländlichen Kontexten, wie Initiativen
der Geflüchtetenhilfe, solidarischer Landwirtschaft oder neue Formen
gemeinschaftlichen Wohnens, finden bislang nur wenig Aufmerksamkeit in meist
großstädtisch geprägten linken Milieus. Hier stellen sich Fragen nach
Möglichkeiten und Grenzen linker Kommunalpolitik, da Kommunales immer
stärker von Vorgaben nationaler und europäischer Ebenen politisch-ökonomisch
reguliert wird. Für einen Umgang mit dem Sparzwang der Austeritätspolitik,
aber auch für die Entwicklung munizipalistischer Ansätze bestehen in
ländlichen Räumen besonders große Herausforderungen. Zugleich ist dort der
Aufbau sozialer Infrastrukturen (in den Bereichen Wohnen, Gesundheit,
Bildung, Mobilität etc.) unter den gegebenen Umständen stark eingeschränkt.

Für diese Fragen ländlicher Entwicklung kann die kritische Wissenschaft,
etwa aus den Politik-, Geschichts-, Kultur- und Planungswissenschaften, der
Geographie, der Soziologie oder der Anthropologie, wertvolle Beiträge
liefern.

Wir freuen uns daher über Vorschläge zu folgenden und verwandten Themen im
deutschen und internationalen Kontext:

*	Transformationen und Konflikte: Wie haben sich die sozialen,
politischen und ökonomischen Verhältnisse in ländlichen Räumen verändert?
Welche Kontinuitäten bzw. Brüche sind dabei festzustellen und wie können
diese erklärt werden? Welche neuen Konfliktlinien (z.B. Aufstieg der neuen
Rechten vs. Willkommenskultur) zeichnen sich ab? Welche Konflikte und
Diskussionen gibt es um die Privatisierung von Infrastrukturen im ländlichen
Raum?
*	Politische und planerische Bedingungen: Welche Akteure des
erweiterten Staates prägen auf welchen Maßstabsebenen und in welchen
Sektoren ländliche Entwicklung? Welche strukturellen Bedingungen und welche
dominanten Narrative sind zu beobachten? Was sind die Handlungslogiken der
Planung und Politik ländlicher Räume? Welche Perspektiven gibt es für das
Arbeiten im ländlichen Raum? Wie lassen sich alternative Wohn- und
Arbeitskonzepte in ländlichen Räumen realisieren, welche Restriktionen sind
hierbei zu beobachten?
*	Emanzipatorische Initiativen und Perspektiven: Welche
emanzipatorischen Projekte gibt es auf dem Land? Aus welchem Hintergrund
sind diese entstanden, mit welchen Problemen und strukturellen
Herausforderungen sind diese konfrontiert? Welche Reichweite und Grenzen
haben die Initiativen? Inwiefern kann der ländliche Raum als Ort für
regenerative Energien, für Landschafts- und Klimaschutz genutzt werden und
wie können daraus entwachsende Stadt-Land-Verteilungskonflikte moderiert
werden? Wie verhalten sich emanzipatorische Projekte zur verbreiteten
Romantisierung des ländlichen Raums als Rückzugs- und Aussteigerort?

Wir erbitten Einsendungen von Kurz-Exposés im Umfang von ein bis zwei Seiten
bis zum 7. Februar 2021. Die fertigen Beiträge sollen bis spätestens zum 6.
Juni 2021 vorliegen und einen Umfang von 45.000 Zeichen (inkl. Leerzeichen,
Fußnoten und Literaturverzeichnis) nicht überschreiten. Zusendung bitte an
die PROKLA-Redaktion: redaktion at prokla.de <mailto:redaktion at prokla.de> ,
inga.jensen at prokla.de <mailto:inga.jensen at prokla.de>  und
matthias.naumann at aau.at <mailto:matthias.naumann at aau.at> .

Für Fragen zum Themenheft stehen die Redaktion und die Gast-Herausgeber zur
Verfügung.

 

 

 

Dr. Michael Mießner

Wissenschaftlicher Mitarbeiter | Research Associate

Technische Universität Dresden | Technical University of Dresden

Institut für Geographie | Institute of Geography

Professur für Humangeographie | Chair of Human Geography

Helmholtzstr. 10 (Hülsse-Bau)

01069 Dresden

Raum: S 482 | Room: S 482

Tel.: +49 351 463-33200

 

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